Deutsche in Gatschina

Projekt mit der Russisch-Deutschen Gesellschaft

Das Thema des letzten Rundtischge­sprächs in der Russisch-Deutschen Freundschaftsgesellschaft Gatschina lau­tete „Deutsche in Gatschina“.

„Die engen partnerschaftlichen Beziehungen zu Ettlingen haben die Mitglieder der Rus­sisch-Deutschen Freundschaftsgesellschaft dazu angeregt, die Beziehungen zwischen dem Lande Baden-Württemberg und unse­rer Region im Rahmen verschiedener Projek­te in Zusammenarbeit mit dem Begegnungs­zentrum bei der Petrikirche in St. Petersburg genauer zu untersuchen. In unserem letzten Projekt haben wir versucht, Personen deut­scher Herkunft zu finden, die Bedeutendes für die Stadt Gatschina geleistet haben und eng mit der Stadt verbunden waren oder sind. In Gatschina lebten und wirkten zahlrei­che Deutsche, die in die Geschichte einge­gangen sind. Unter ihnen waren Mediziner, Musiker, Maler und Bildhauer, Historiker, Mili­tärangehörige, Erfinder, Konstrukteure und andere.

Unter den Medizinern spielte Johann The­odor Blumentrost (1676-1756) eine be­sondere Rolle (Sohn von Lorenz Alfredo­witsch Blumentrost, der 1668 nach Russ­land kam). Er war Leibarzt Peter I. Von be­sonderem Interesse für uns ist die Tatsa­che, dass ihm 1719 für seine Verdienste die Ortschaft Gatschina mit allen Besitzun­gen übereignet wurde. Hier legte er einen Botanischen Garten an, der in Reisebe­schreibungen aus der damaligen Zeit lo­bend erwähnt wird. Mehrere seiner Nach­kommen, alle Mediziner, haben ebenfalls Bedeutendes geleistet.

Unter den Musikern sei Karl Franzewitsch Albrecht (1807-1863) genannt. Er wurde 1838 als Dirigent der Oper und der Philhar­monischen Konzerte nach St. Petersburg berufen. Er war Dirigent im Alexandrinski Theater und anderen Opernorchestern und komponierte Ballettmusik. 1850 zog er nach Gatschina und unterrichtete Musik und Ge­sang im Waiseninstitut in Gatschina. Er starb am 8. März 1863 und ist in Gatschina begra­ben. Er hatte mehrere Söhne, die ebenfalls Musiker wurden. Sein Sohn Eugen Karlo­witsch Abrecht (1842-1894) wurde angeb­lich 1842 in Gatschina geboren und im Wai­seninstitut erzogen.

Viele Künstler hatten eine enge Beziehung zu Gatschina. Rudolf Fjodorowisch (Ferdinandowitsch) Frenz ging nach Abschluss der Berliner Kunstakademie nach Russland, wurde Ehrenmitglied der Petersburger Kunstakademie. Seine Bilder befinden sich im Russischen Museum und im Museum der Kunstakademie. Früher befanden sich auch in Schloss Gatschina Bilder von Rudolf Frenz, sind aber leider immer noch nicht dorthin zurückgekehrt. Rudolf Frenz starb am 24. Dezember 1918 in Gatschina und ist auf dem hiesigen Friedhof begraben.

Auch der Bildhauer Baron Peter Clodt von Jürgensburg (1805-1867), dessen Pferdestatuen „Rossbändiger“ auf der An- tischkow-Brücke weltbekannt sind, hatte eine enge Beziehung zu Gatschina. Er mietete ständig ein Haus in Gatschina. Sei­ne Nachkommen lebten hier.

Der Maler Alexander Karlowitsch Beggrov (1841-1914) lebte viele Jahre in Gat­schina. In der Gatschinaer Epoche erreich­te Beggrov höchste Meisterschaft. Auf der XVII. Wanderausstellung im Jahr 1899 konnte er Gemälde ausstellen „Peters­burg“, „Schloss Gatschina“, „Gatschina, Priorat Schloss“, „Normandie“, „Garten“. Er ist in Gatschina begraben, sein Grab ist erhalten.

Nikolaus Schilder (1842-1902) war Mili­täringenieur und Historiker, Militärschrift­steller; von 1879-1899 war er Direktor des Waisenhauses und Leiter des Mädchen­gymnasiums in Gatschina. In Gatschina schrieb und vollendete er mehrere Werke: „Russland und seine Beziehungen zu Eu­ropa im Zeitraum von 1806-1815“, „Der Russisch-Türkische Krieg im Jahre 1829“, u.a. Nikolaus Schilder genoss als Autor his­torischer Werke höchste Anerkennung.

Besonders interessant war die Tatsache, dass auch der deutsche Dichter und Dra­matiker Friedrich Maximilian Klinger viele Jahre in Gatschina verbracht hat. 1780 wurde er dank eines Empfehlungs­schreibens des Herzogs von Württemberg an seine Tochter, die Gattin des russischen Thronfolgers Großfürsten Paul, Maria Feodorovna, Offizier im Marinebataillon in Pe­tersburg und zugleich Vorleser seiner Frau. Klinger fungierte auch als Vermittler zwi­schen dem Zarenhof und Weimar, unter seinem Einfluss bildete sich in Gatschina ein Literaturkreis, der auch eine Liebhaber­bühne unterhielt.

Von besonderem Interesse für uns ist die Familie Gakkel, der auch der Besitzer des Viersterne Hotels Gakkel House ent­stammt. Der Familie entstammen viele be­deutende Persönlichkeiten – Brückenbau­er, Flugzeugkonstrukteure, Wissenschaft­ler und vor allem Marineoffiziere. Der Name Gakkel wird in den verschiedenen Quellen sehr unterschiedlich geschrieben.

Nicht immer ist die Herkunft der Personen eindeutig geklärt, wie beispielsweise bei Franz Franzowitsch Lender, dem Chef­konstrukteur der sowjetischen Feldkano­ne, der in Gatschina begraben ist.

An den Untersuchungen beteiligten sich zahlreiche Teilnehmer der Deutschkurse, die während unseres Rundtischgesprächs ihre Ergebnisse darlegten. Die zahlreichen Fragen, die ihnen gestellt wurden, zeugen von dem großen Interesse für diesen The­menkreis. Deshalb wollen wir unsere Un­tersuchungen fortsetzen.

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