13.04.2023-19.00 Uhr
Bruchsal
Beginn: 19.00 Uhr
Ort: 76642 Bruchsal, Bürgerzentrum Bruchsal, Am Alten Schloss 2
Thema: Russland und die Ukraine nach der Zeitenwende
Karten: Eintritt frei, eine Spende wird erbeten
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Dieser russische Angriffskrieg hat alles verändert
Gabriele Krone-Schmalz
Journalistin und Autorin
Viel Applaus für "Russland-Versteherin" Krone-Schmalz Auftritt der ehemaligen ARD-Korrespondentin polarisiert/ Die Sanktionen schaden unserem Land mehr als Russland
BNN 15.04.2023, Christina Zäpfel
Die beiden Frauen aus Ketsch sind begeistert. Extra sind sie angereist, um einen Vortrag zu hören, deren Inhalt sie eigentlich schon ganz gut kennen. Gabriele Krone-Schmalz, die einstige Moskau-Korrespondentin der ARD. sprach in Bruchsal über den Ukraine-Krieg „Ich bin ein richtiger Fan von ihr“, sagt die eine Ketscherin. Seit Jahren verfolge sie deren Arbeit.
Beide haben gerade noch einen der letzten Sitzplätze im mit 300 Stühlen ausgestatteten Ehrenbergsaal im Bruchsaler Bürgerzentrum ergattert. Weitere 100 Besucher mussten stehen Viele wurden abgewiesen. Der Veranstalter, die West-Ost-Gesellschaft (WOG) Baden-Württemberg unter Vorsitz des einstigen hiesigen SPD-Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss, zeigte sich vom großen Interesse überwältigt.
Nach gut zwei Stunden Vortrag und Fragen bildete sich eine Traube um den Büchertisch. Gäste und Fans holten sich Autogramme der Journalistin, die seit dem Ausbruch des Kriegs gefragter denn je ist Und heftig umstritten. Schon im Vorfeld hatten sich Kritiker gemeldet, die vor ihren Thesen warnten. Die ihr und der WOG sowie ihrem Vorsitzenden Tauss Geschichtsklitterung vorwerfen und russische Propaganda.
In ihrem Vortrag ging es Krone-Schmalz zunächst um die Zeitenwende: Ein von Bundeskanzler Olaf Scholz nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine vor gut einem Jahr proklamierter und seither viel zitierter Begriff. Krone-Schmalz jedenfalls sieht keine Zeitenwende zum Besseren. „Dieser russische Angriffskrieg hat alles verändert“, stellt sie klar. Ihr gehe es darum, die Folgen auch des westlichen Handelns aufzuzeigen. Man wolle dem Angreifer zeigen, dass sein Handeln nicht ungestraft bleiben soll. „Aber was folgt daraus?“, fragt sie.
Dir historischer Abriss beleuchtete zunächst mögliche russische Interessen am Krieg. Der Zeitpunkt des Angriffs sei für den Kreml eigentlich ungünstig. „Vor zehn Jahren wäre die Ukraine viel verwundbarer gewesen.“ Krone-Schmalz versucht, die These zu widerlegen, Putin habe den Überfall von langer Hand geplant und erfülle damit seine imperialen Interessen und seine postsowjetischen Großmachtfantasien. „Erklären ja, nicht rechtfertigen.“ Das sei ihr wichtig, stellte sie voraus.
Die selbsternannte Russland-Versteherin (eines ihrer Bücher trägt den Titel „Russland verstehen“) ging auch auf die Persönlichkeit Putins ein. Sein Satz von 2005. der „Zerfall der Sowjetunion sei die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“ werde aus ihrer Sicht falsch interpretiert Viele im Westen sähen darin einen Beweis für Putins Expansionsgelüste. Krone-Schmalz glaubt zu wissen, was Putin eigentlich meinte: „Das bezieht sich auf die extrem schlechten Lebensbedingungen“, die nach dem Zusammenbruch einsetzten. Vielmehr gebe es ganz andere Einlassungen Putins; „Wer die Sowjetunion vermisst, hab kein Herz, wer sie sich zurückwünscht keiner. Verstand.“
Vor dem Ukraine-Krieg, so führt die einstige Moskau-Korrespondentin an, seien historische Fehler auf beiden Seiten gemacht worden. „Ich versuche mit meiner Arbeit Lücken zu schließen.“ Der Westen habe Putin oft auflaufen lassen. Er habe seine Bemühungen um eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur ignoriert. Davon ist sie überzeugt. „Die Nato- Osterweiterung war einer de; grollten Fehler seit Ende des Zweiten Weltkriegs“, sagt sie unter viel Applaus.
Ihre Kritiker hingegen werfen Krone-Schmalz genau das vor: Dass sie die Schuld Russlands am Überfall auf die Ukraine relativiert und dabei etwa mit historischen Halbwahrheiten arbeitet oder unwissenschaftlich vorgehe. Womöglich Kreml-Propaganda betreibt oder zumindest befördert.
Krone-Schmalz jedenfalls ist überzeugt: „Die Sanktionen schaden unserem Land mehr als Russland.“ Dies belegten Zahlen des Internationalen Währungsfonds (IWF). Ob aber die Zahlen aus Moskau, die der IWF zugrunde legt, die ganze Wahrheit abbilden, darüber gibt es wiederum bei Ökonomen erhebliche Zweifel
Im weiteren beleuchtet Krone-Schmalz die Geschichte der Ukraine, der Krim sowie mögliche Interessen der USA und des Westens. Ein Ende des Kriegs könne sie sich vorstellen, indem man die territoriale Frage zunächst ausklammere. Die umkämpften Gebiete würde man als Mandatsgebiete der UN ausweisen und die Bürger später abstimmen lassen. Ähnlich wie einst im Saarland. „Sicherheit ohne Russland wird es auf unserem Kontinent nicht geben. Und gegen Russland schon gar nicht“, so ihr Fazit.
Mit einigen Statements und Fragen etwa zu möglichen diplomatischen Lösungen wartete nach ihrem Vortrag WOG-Mit-glied Rainer Kaufmann auf. Aus dem Saal bekam die Rednerin viel Zustimmung zu ihren Thesen. Als Kritiker outete sich nur Jürgen Dick. Der Historiker und einstige Bundeswehrarzt setzte zum Widerspruch an. Ihm ging es um die Rolle der Nato. Er betonte den freiwilligen Beitritt östlicher Staaten zum Verteidigungsbündnis. Krone-Schmalz gab ihm insofern Recht, dass ein Nato-Beitritt das gute Recht dieser souveränen Staaten gewesen sei, verwies aber zugleich auf eine ihrer Meinung nach „Umzingelung Russlands in jeder Himmelsrichtung“.