Sakralkunst für guten Zweck Mit Koffern voller Kunsthandwerk auf Weihnachtsmarkt
Ettlingen. Um eine Attraktion reicher ist seit Donnerstag der Ettlinger Weihnachtsmarkt: Die Deutsch-Russische Gesellschaft bietet Kunsthandwerk und Devotionalien aus der künftigen Ettlinger Partnerstadt Gatschina zum Verkauf an. Die Einnahmen aus diesem Verkauf sollen Wohltätigkeitszwecken in der russischen Stadt zufließen.
Auf recht abenteuerliche Weise kamen die Gegenstände, die zum Großteil von einer kirchlichen Schule für Kunsthandwerk in Gatschina gefertigt wurden, an die Alb. Der russisch-orthodoxe „Stadtpfarrer“ von Gatschina, Vater Michail Rogosin, setzte sich zusammen mit seinem Vater in den Zug von Leningrad nach Ettlingen und schleppte eine Vielzahl von Kisten in seinem Zugabteil mit. „Es ist schon eine Leistung, daß zwei Menschen allein soviel Material auf einer so weiten Strecke mitnehmen können, lobte Dr. Rüdiger Dierkesmann, Vorsitzender der Deutsch-Russischen Gesellschaft, die Initiative der beiden Russen für wohltätige Zwecke in Gatschina durch Verkauf von Kunsthandwerk an der Alb Geld zu bekommen. Unter dem Stichwort „Ein Herz für Gatschina“ verkaufen Mitglieder der Deutsch-Russischen Gesellschaft auf dem Weihnachtsmarkt saubere Handwerks-, Maler- und Schnitzerarbeit von der Birkenholzform für Brot über Holzbretter für die Küche bis hin zur filigran bearbeiteten Taschenikone. Zusätzlich soll es im Foyer des Rathauses noch eine kleine Ausstellung geben, wo Kunsthandwerk aus Rußland bis hin zur Ikone betrachtet werden kann. Alle Gegenstände, die Vater Michail mitgebracht hat, stehen in der traditionellen Ikonenkunst der Schulen von Chochloma und Palech.
Der Erlös der verkauften Waren soll – so Michail Rogosin – einen kleinen Beitrag zur Linderung der schwierigen wirtschaftlichen Lage der Menschen in Gatschina leisten „Mit einem Teil des Geldes wollen wir armen Menschen Lebensmittel kaufen.“ Der andere Teil soll für den Wiederaufbau der Kirche Pokrowski (Mariä Schutz und Fürbitte), die noch vor einem Jahr als Lager verwendet und dann vom Staat an die russisch-orthodoxe Kirche zurückgegeben wurde.
Bei einem Empfang für Vater Michail Rogosin im Rathaus – Eugen Faas, Vorstandsmitglied der Deutsch-Russischen Gesellschaft fungierte als Dolmetscher – versicherte Oberbürgermeister Offele dem russischen Gast die Unterstützung Ettlingens für Gatschina. Gleichzeitig zeigte er sich überzeugt, daß die russisch-orthodoxe Kirche bei der Entwicklung der Partnerschaft zwischen beiden Städten eine wichtige Rolle spielen könne.
Vater Michail ging bei dem Gespräch im Rathaus insbesondere auch auf den gelungenen Aufenthalt einer 14köpfigen Ettlinger Schülergruppe in Gatschina ein, was Hoffnungen für die künftigen Beziehungen zwischen beiden Gemeinden gebe.
BNN 17./18.12./ 1991 jcw