Wissenschaftliche Zusammenarbeit von Museumsleitern

Sankt Petersburger Tagung entstand durch Ettlinger Städtepartnerschaft

Was hierzulande der Andacht dient, hat nach russisch-orthodoxer Vorstellung eigene religiöse Wirkkraft. Die Ikonen und anderen sakralen Gegenstände, die Museumsleiter Hanno Haffner ab dem 9. Oktober in Ettlingen zeigen wird, sind je nach Glauben unterschiedlich im Wert. Da dies und anderes auch Wissenschaftler erst erarbeiten müssen, bevor sie es einem breiteren Publikum präsentieren, gab es in Sankt Petersburg jetzt eine Tagung, an der sich außer Hafner 15 Museumsleiter aus den Niederlanden, den USA und einigen deutschen Städten beteiligten.
Städtepartnerschaft konkret könnte über dem laut Haffner nicht nur fachlich bedeutsamen Treffen stehen. Die Initiative zu dem nunmehr zweiten Seminar der Museumsleiter in Sankt Petersburg entstand vor rund drei Jahren in Ettlingen. Damals, als  Künstler aus Gatschina und Umgebung im Schloß ihre Werke zeigten, knüpften die Ausstellungsmacher und Sammlungshüter beider Städte erste Kontakte. Ein Treffen 1994 in Sankt Petersburg vertiefte die Annäherung, die jetzt zu einer Auseinandersetzung mit den „Sammlungen der Denkmäler sakraler Kultur“ führte. 

Nebeneffekt des Ganzen: ab Oktober gibt es in Ettlingen „die bedeutendste russische Sammlung auf diesem Gebiet neben der in der Eremitage zu sehen“. Der Bogen reicht von christlichen Gegenständen über jüdische Objekte bis hin zu islamischen und buddhistischen sakralen Kunstwerken, bekräftigt Hafner seine Aussage. Aktuell sind die 42 Werke des staatlichen Museums für Religionsgeschichte Sankt Petersburg in London zu sehen.

Dies unterstreicht nicht nur den Stellenwert der Ausstellung, sondern ist für ein Museum mit kleinem Budget wie in Ettlingen auch finanziell ein glücklicher Umstand. Verpackungen und andere Transportmittel sind bereits vorhanden.
Außerdem kann Hafner für die Präsentation im Schloß auf den englischsprachigen Katalog zurückgreifen, dem dann eine Übersetzung beigelegt werden soll.
Parallel zu dem unerwarteten öffentlichen Ereignis gibt es im Oktober in Ettlingen auch ein weiteres Treffen der Fachleute in Sachen Museum. Unter dem Leitthema „mittelalterliche Klostergründungen in Rußland und Deutschland“ werden sie unter anderem den Speyerer Dom, die Burg Hohenbaden, Limburg und die Klöster Hirsau, Maulbronn und Lichtenthal besuchen. Außerdem sind neben zahlreichen Vorträgen Stadtführungen durch Ettlingen und Baden-Baden geplant.

Um den inzwischen geradezu üblichen kulturellen Austausch geht es Haffner dabei nicht. Bei all den „Schätzen aus Rußland“, die derzeit in Deutschland besichtigt werden können, sollte seines Erachtens der Aspekt „der gemeinsamen geschichtlichen Vergangenheit“ stärker in der Vordergrund treten. Haffner will, daß ein Betrachter die Wurzeln dessen, was er sieht, erkennt. Insofern sind für ihn die Fachgespräche über Ausstellungs-, Konservierungs- und Inventarisierungstechniken geradezu Nebenschauplätze der Tagungen.

„Rußland hat Geschichte, Kunst und Kultur im westlichen Europa in hohem Maße mitgeprägt“, sagte Haffner in Sankt Petersburg. Dies durch wissenschaftlichen Austausch nachzuvollziehen und entsprechend umzusetzen ist sein
Anliegen. Auf die Ausstellung bezogen heißt das: „Der Besucher soll erfahren, welche Funktion sakrale Kunst in den verschiedenen Religionen hat.“ Möglicherweise erkennt er dadurch das Verbindende aus der Vergangenheit und erfährt gleichzeitig von der Wirkkraft der Bilder, auf die orthodoxe Gläubige hoffen, wenn sie sie küssen.

BNN, 12.06.1995/  Von unserem Redaktionsmitglied Edith Kopf

Ehemaliger Museumsleiter Hanno Hafner verstorben Am 2.April 2018 ist Hanno Hafner kurz nach seinem 85.Geburtstag verstorben. Der gebürtige Heppenheimer leitete von 1979 bis zu seinem Ruhestand im April 1998 das Museum im Ettlinger Schloss und prägte während seiner Tätigkeit als erster hauptamtlicher Museumsleiter das Sammlungskonzept maßgeblich. Unter seiner Ägide wandelte sich das Schloss vom Ort einer heimatlichen Sammlung zu einem Heimatmuseum mit zahlreichen Sonderschauen, die bemerkenswerte Besucherzahlen nach Ettlingen zogen. Erklärtes Ziel des Archäologen, der in Marburg studiert hatte und nach dem Studium unter anderem als wissenschaftlicher Mitarbeiter am badischen Landesmuseum beschäftigt war, war es, den Ettlingern eine Möglichkeit zu eröffnen, Geschichte und Heimat vor Ort kennenzulernen. Erinnert sei an die Ausstellung„ Von der Mühle zum Zahnrad“. Zudem hatte er sich auf die Fahnen geschrieben, Künstlerinnen und Künstlern aus der Region eine Plattform zu bieten. Erstmals wurden unter seiner Leitung auch museumspädagogische Kinderprogramme angeboten. Neben dem Albgaumuseum setzte er sich für den Aufbau einer Karl-Hofer-Abteilung ein und durch Kontakte zum Lindenmuseum wurde im Schloss eine kleine, feine ostasiatische Abteilung etabliert. Seine Begeisterung wusste er auch auf vielen Studienreisen und bei seinen beliebten Vorträgen zu vermitteln.