„Crescendo“ entfachte in St. Petersburg „Musikfeuerwerk“

Jazz aus Ettlingen

„Crescendo“ fährt nach Petersburg

Ettlingen (jcw). Das bekannte Ettlinger Jazz­quintett „Crescendo“ begibt sich vom 11. bis 18. April auf eine Konzertreise nach Rußland. Auf dem Programm der Musiker – allesamt Lehrer an der Ettlinger Musikschule – stehen zwei Auf­tritte im renommiertesten Free-Jazz-Club der russischen Stadt Sankt Petersburg. Die Musiker Jörg Schöllhom (Klavier); Thomas Katz (Baß), Wilhelm Zimmermann (Trompete), Peter Lehel (Saxophon) und Christopher Brunner (Schlagzeug).

Die Formation fährt mit einem Modem-Jazz- Programm nach Rußland. Dabei soll auch eine Austausch mit der russischen Jazzszene initiiert werden. So denken die Musiker daran, die ein oder andere Jazzformation aus Rußland für ein kleines Jazzfestival im Herbst zu gewinnen.

Auf dem Programm der Musiker stehen noch Konzerte in einer Petersburger Schule für hoch­begabte Musikschüler und im Kulturhaus des Stadtsowjet von Ettlingens Partnerstadt Gatschina. Dazu hat die dortige Kulturamtsleiterin Aritonina Katschalowa die fünf Ettlinger Musi­ker eingeladen. Schließlich ist als Abschluß der Rußlandreise noch eine Rundfunkaufnahme ge­plant.

Ettlingen. Der Auftritt des Ettlinger Jazz- Ensembles „Crescendo“ in der St. Petersburer Philharmonie Hall, der ersten Adresse in er russischen Jazzszene, fand einen unerwartet positiven Widerhall. Für zwei Abende hatte der künstlerische Leiter der Jazz Philharmonic Hall, David S. Goloschokin, das Ettlinger Jazzquintett, im wesentlichen Lehrer der Musikschule, verpflichtet. Kamen am ersten Abend 180 Jazzfreunde aus Sankt Petersburg, um die deutschen Musiker mit dem Trompeter Wilhelm Zimmermann an der Spitze, zu hören, steigerte sich dies bereits am zweiten Abend auf 250 Menschen. Die Nachfrage nach der Musik von „Crescendo“, der Musiker Thomas Katz (Bass), Peter Lehel (Saxophon), Christopher Brunner (Schlagzeug), Jörg Schöllhorn (Piano) und Wilhelm Zimmermann (Trompete) war so riesig, daß die Direktion der „Jazzhall“ anfragen ließ, ob die Musiker, sozusagen als Zugabe, noch an einem weiteren Abend ein Jazzkonzert geben würden. Der Ansturm auf das letzte Konzert der Musiker in einem ehemaligen riesigen Kinosaal in St. Petersburg war so groß, daß viele Besucher stehen mußten, um den von Dixie bis zum Modem Jazz reichenden Rhythmen des Ettlinger Quintetts lau­schen zu können.

Für Wilhelm Zimmermann, gebürtiger Rußlanddeutscher aus Taschkent, war der Empfang durch die St. Petersburger fast ein Heimspiel“. Die Sympathie für die deutschen Musiker kam auch dadurch zum Ausdruck, daß nach dem Konzert viele Musikfreunde vor der Garderobe geduldig auf ein Autogramm warteten oder um mit den Ettlingern über Jazz zu Fachsimpeln.

Daß die drei Konzerte nicht nur rein kulturellen Charakter hatten, sondern auch eine zutiefst politische Dimension, kam in den Dankesworten des Direktors der Philharmoic Hall Goloschkin zum Ausdruck. Er forderte die Besucher auf, beim anstehenden Referendum in der Russischen Föderation die Politik von Boris Jelzin, die demokratische Öffnung Russlands, mit einer Jastimme nachhaltig zu unterstützen. Er bedankte sich bei den Ettlinger Musikern insbesondere auch deshalb, weil sie keine Gage für ihr Konzert verlangten mit den Worten: „Die Qualität dieser Jazzmusik wäre in Rubel gar nicht aufzuwiegen“. Das Eintrittsgeld werde zur Unterstützung junger Jazztalente verwendet.

Die Musikkritik in den Sankt Petersburger Zeitungen war voll des Lobes über den Auftritt der Ettlinger. So würdigte die bekannte Zeitung „Smirna“ in einem vierspaltigen Artikel die „deutsche Jazzmusik“. Jörg Schöllborns Spiel am Klavier, das Gleiten der Fin­ger über die Tasten, wird da mit dem Satz umschrieben: „Wenn das Publikum nichts mehr erwartete, kommt das eigentliche Feuer­werk“, und Christopher Brunner wird um sein Gespür für Harmonien beneidet und das Improvisationsvermögen von Peter Lehel war dem Kritiker einen ganzen Absatz wert.

Herausgestellt wird auch die Konditions­stärke der Ettlinger „Fünf“, die ihrem Namen „Crescendo“ bis weit nach Mitternacht alle Ehre gemacht hätten und selbst noch beim Zusammenspiel zwischen den Petersburger Jazzmusikern am Ende des Konzerts in einer kurzfristig anberaumten Jam-Session ihre musikalischen Fähigkeiten unter Beweis ge­stellt hätten.

Die Musiker von „Crescendo“ erhielten vom Leiter der „Philharmonic Hall“ eine Einladung zu den herbstlichen Jazzmusiktagen in der ehemaligen Zarenmetropole. Dankbar war Wilhelm Zimmermann nicht nur über die be­geisternde Aufnahme durch das St. Peters­burger Publikum. Aufrichtigen Dank sprach er auch den ehemaligen sowjetischen Eishockeystars Petrov und Michailov aus, die den fünf Musikern an der Newa in direkter Nähe eine kostenlose Bleibe besorgt hatten.

Bei der Verabschiedung der Musiker erin­nerten die russischen Musikfreunde die Deut­schen nochmals daran, wie nachhaltig wichtig für den kulturellen Austausch zwischen Ost und West eine mehrheitliche Zustimmung der Bevölkerung zum Reformkurs in Rußland am kommenden Wochenende sei, denn „Konzerte in dieser Form wären vor drei Jahren bei uns noch nicht möglich gewesen“.

Den Aufenthalt in Sankt Petersburg nutz­ten die fünf Ettlinger Musiker auch zu einem Abstecher in die etwa 40 Kilometer südlich gelegene Partnerstadt Ettlingens. Dort gaben sie ein Konzert in dem Kulturpalast von Gat­schina. Auch diese Veranstaltung hatte eine über das rein musikalische gehende Bedeu­tung, da Wilhelm Zimmermann gleichzeitig auch stellvertretender Vorsitzender der Deutsch-Russischen Gesellschaft in Ettlingen ist. Bei dem begeistert aufgenommenen Kon­zert, bevorzugt spielten in Gatschina, der frü­heren Sommerresidenz der Zaren, die Musiker Jazz-Traditionals, war die Stadt Gatschina durch Bürgermeister Illjin und Kulturamtslei­terin Katschalowa repräsentiert. Nach dem Konzert gab es noch einen langen Abend mit dem Vorsitzenden der russischen-deutschen Gesellschaft in Gatschina, Viktor Schutilov, der zu einem intensiven Gespräch zwischen den Musikern und an der Partnerschaft inter­essierten Russen über die kulturellen Beziehungen zwischen den beiden Gemeinden genutzt wurde. BNN, jcw